Afrikas Tierwelt Matira Magazin

Hohe Tiere

Giraffen sind unter Tierfotografen besonders beliebt, weil ihre Silhouetten so schön jeden Sonnenuntergang in der Savanne veredeln. Ansonsten scheinen sie aber nicht viel Aufregendes zu tun - selbst ihr Galopp wirkt zeitlupenartig und irgendwie bedächtig. Aus gutem Grund! Es ist nicht einfach, groß und gleichzeitig flink zu sein.

Hohe Tiere – Von den Schwierigkeiten groß zu sein

Reinhard Radkes Kolumne zur afrikanischen Tierwelt
Masaigiraffen, Masai Mara
Bedächtig: Selbst im vollen Galopp scheinen Giraffen sich immer wie in Zeitlupe zu bewegen, hier eine Gruppe von Masai-Giraffen (Unterart Giraffa camelopardalis tippelskirchi), die sich am Mara Ufer zusammenfand um den Fluss zu überqueren. Giraffen haben nur zwei Fortbewegungsarten: Den Galopp und den Passgang

Giraffen haben sich mit ihren Hälsen (die genau wie beim Menschen und allen anderen Säugetieren nur sieben Wirbel haben) eine ökologische Nische erschlossen, die sie nur mit Elefanten teilen: Die Laubschichten von Bäumen zwischen 2 und 5,8 Meter (die oberen anderthalb Meter sind dabei den Bullen vorbehalten).

Weidende Giraffe
Hoch hinaus: Junger Giraffenbulle frisst. Man erkennt die typische „Weidelinie“ an dem Baum, der die Reichweite der Bullen markiert. Nur Bullen fressen mit senkrecht aufgerecktem Hals und nutzen dabei die obersten „Stockwerke“, die von den Weibchen nicht mehr erreicht werden können. Weibchen halten den Hals beim Weiden schräg, so dass man schon aus großer Entfernung die Geschlechter unterscheiden kann!

Dieses Privileg mussten Giraffen aber teuer erkaufen. Ihr Herz liegt zwei Meter über dem Boden und zum Gehirn muss das Blut noch weitere drei Meter hochgepumpt werden. Ihre Beine brauchen deshalb spezielle „Manschetten“ aus sehr fester Haut, um dem Blutdruck auf das Gewebe standzuhalten. Um das Gehirn zu versorgen, muss ihr Herz etwa doppelt so viel Druck erzeugen, wie bei großen Antilopen. Zusätzlich braucht es ein raffiniertes Klappensystem in den Halsgefäßen, um bei gesenktem Kopf das Blut nicht ins Gehirn schießen zu lassen. Ihre lange Luftröhre verhindert eine gute Ventilation der Lunge, so dass sie wesentlich häufiger einatmen müssen. Ihre Atemfrequenz ist fast doppelt so hoch wie bei uns. Die langen Nervenbahnen verbieten schnelle Reflexe und die Hebelverhältnisse von Beinen und Hals erfordern sorgfältig austarierte Bewegungen, denn schnelle Ausgleichsreaktionen sind ihnen nicht möglich. Kein Wunder, dass sie sich immer in Zeitlupe zu bewegen scheinen. Giraffen bei einer Flussdurchquerung zeigen das nur zu deutlich: Vorsichtig tasten sie mit den Hufen bei jedem Schritt den unsichtbaren Boden ab, um ja nicht ins Stolpern zu geraten. Immerhin, sie können sich Zeit lassen – Krokodile haben sie ja nicht zu fürchten.

Giraffen im Mara
Balanceakt: Masai-Giraffen durchwaten den Mara. Eine Gruppe Zebras schließt sich ihnen an. Im Wasser bewegen sich Giraffen extrem vorsichtig, um auf dem unebenen Grund nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Stürze könnten zu Knochenbrüchen führen!

Unter diesen Voraussetzungen ist es für Bullen gefährlich, heftige Kämpfe auszutragen. Mit dem Alter verknöchern ihre Schädel massiv, bis sie schließlich schweren Keulen gleichen, mit denen sie auf Rivalen einschlagen. Die dabei im Hirn wirksamen Blutdruckschwankungen können schon mal ein Tier außer Gefecht setzen, wuchtige Treffer Knochen brechen. Alte Bullen prügeln sich aber selten, meist sieht man nur die Plänkeleien der jungen Tiere (Weibchen hat man noch nie kämpfen gesehen). Über die Jahre bilden sich bei diesen Duellen Hierarchien aus, die den Zugang zu Paarungspartnern regeln. Nur wenn fremde Altbullen aufeinandertreffen, kann es gefährlich werden.

Kaempfende Giraffen
Halbstarke: Kämpfende Netzgiraffen (Unterart G. c. reticulata). Solche Auseinandersetzungen zwischen jungen Bullen können sich über Stunden hinziehen. Die Tiere stehen meist antiparallel zueinander und stemmen sich gegeneinander um die gegenseitige Stärke abzuschätzen. Die Schläge mit den schweren Schädeln werden sorgfältig angesetzt, denn sie können nicht mehr gestoppt werden. Gegenseitige Antizipation ist dabei wichtig um rechtzeitig auszuweichen. Oft richten sich die Angriffe auf Beine und den Bauch. Energische Kämpfe zwischen erfahrenen alten Bullen dauern selten lange, weil sie sehr gefährlich sind und meist schnell entschieden werden.

Giraffen kamen in Afrika früher eigentlich überall vor, wo sich Bäume fanden. Die Fellmuster sind regional variabel, woraus bis zu acht Unterarten unterschieden wurden. Inzwischen gehen neuere molekularbiologische Untersuchungen von mehreren eigenständigen Arten aus, wobei vier bzw. acht Arten angenommen werden. Sie bilden keine Herden, sondern nur Ansammlungen, die selten länger als Stunden/Tage zusammenbleiben. Die einzige längere Verbindung besteht zwischen Mutter und Kalb. Mütter setzen sich mit ihren Jungen oft ab und manchmal bilden sich regelrechte „Kindergärten“, wobei mehrere Weibchen ihre Jungen abwechselnd beaufsichtigen. Kälber werden gegen Hyänen und Löwen energisch mit Hufschlägen verteidigt, aber mehr als die Hälfte überlebt das erste Jahr nicht.

 

Giraffe mit Kalb
Kleinfamilie: Masai-Giraffe mit Kalb. Die Mütter sondern sich mit den Kälbern ab. Auch wenn Kälber scheinbar alleine gelassen werden, ist die Mutter doch selten weit entfernt. Die Jungen sind durch Löwen und Hyänen gefährdet.

In der Serengeti haben Giraffen Streifgebiete von bis zu 600 Quadratkilometern. Die Bullen sind besonders viel unterwegs. Sie sind ständig auf der Suche nach brünstigen Weibchen und ziehen meist alleine. Das ist nicht ohne Risiko: Löwen greifen durchaus Giraffen an, wobei Einzeltiere besonders gefährdet sind. Bullen werden deshalb häufiger gerissen, so dass es in den meisten Gebieten etwa doppelt so viele Weibchen wie Männchen gibt!

Löwen und Giraffen
Fasziniert: Eine vorbeiwandernde Gruppe beobachtet neugierig ein Löwenrudel. In solchen Ansammlungen sind Giraffen sicher vor großen Raubkatzen. Einzeln ziehende Tiere werden aber durchaus angegriffen, wenn andere Beute nicht vorhanden ist. Im südlichen Afrika machen Giraffen in einigen Schutzgebieten rund die Hälfte der Nahrung von Löwen aus.

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